Post by HerbertHenryk M.(aulheld) Broder weiß schon wieder in
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,339663,00.html,
wo er die Guten und wo er die Bösen findet.
Hassprediger Broder. Nehmen wir ihm mal ein bisschen auseinander:
"Noch vor einem Monat waren es Aufständische, Rebellen,
Widerstands-kämpfer. Inzwischen werden die Bombenwerfer und Bombenzünder
auch in der "Tagesschau" und im "heute journal" beim Namen genannt:
Terroristen. Mit der Wahl im Irak kehren Augenmaß und Vernunft in die
Berichtererstattung zurück, alle sind von dem "Mut" der Iraker
beeindruckt und sehen das Land am Anfang der "Demokratisierung", auch
Außenminister Joschka Fischer."
Tatsächlich ist die Sachlage im Irak undurchsichtig. Nicht einmal die
Besatzungsmächte wissen, wer hinter den Anschlägen genau stecken, welche
Motive und Ziele sie verfolgen. Es könnten also durchaus Aufständische,
Rebellen, Widerstandskämpfer sein. Erst die jüngsten Wahlen haben
gezeigt, dass diese Kämpfer keinen breiten Rückhalt in der Bevölkerung
haben und daher nicht in ihrem Namen kämpfen. Im Gegenteil: durch Terror
ihrem eigenen Volk gegenüber haben sie ihre Sympathien, so sie je welche
besessen haben, verspielt.
"Hier, wo eine Sitzblockade vor einer Kaserne schon als Akt heldenhaften
Widerstands gilt, hat man sich große Mühe gegeben, die Wahlen im Irak
schlecht zu schreiben und mies zu reden. Ein Argument, das dabei immer
wieder vorkam, war: Wie kann man Iraker, die seit Jahrzehnten im Ausland
leben, wählen lassen? "
Nunja, dieses Argument kam sicherlich nicht allzu häufig vor, zumindest
tauchte es nicht als bedeutentes in den Medien auf. Im Gegenteil.
Deutschland war eines der wenigen Länder, in denen Exiliraker ihre
Stimme abgeben konnten. Broder dramatisiert also, um gegen die Deutschen
zu hetzen.
"Eine Überlegung, die überhaupt nicht vorkam, war die: Ist es nicht
seltsam, dass die einzigen freien Wahlen in der arabischen Welt unter
Besatzungsregimen stattgefunden haben? In Palästina und im Irak. "
Wenn diese Überlegung häufiger aufgekommen wäre, hätte mir das auch
stark zu denken gegeben. Eine solche Überlegung kann nur demjenigen
einfallen, der zwanghaft Parallelen zwischen dem Fall Palästina und dem
Fall Irak konstruieren möchte wo es keine gibt. Sollte die
Jahrzehntelange israelische Besatzung und das damit einhergehende
Blutvergießen etwa unvermeidliche Bedingung für einen
Demokratisierungsprozess in dieser Region gewesen sein? Ein harter Preis
und eine ebenso kühne Behauptung, zumal niemand sagen kann, wie sich die
arabische Welt ohne den demütigenden Nahostkonflikt entwickelt hätte.
"In Deutschland, wie auch im übrigen Europa, haben viel zu viele mit den
Opfern von Besatzung und Gewalt nur so lange Mitgefühl, wie sie nicht
versuchen, ihr Schicksal zu ändern. Dann werden sie gewarnt, ob sie sich
der Folgen auch bewusst wären. Es könnte alles noch schlimmer kommen! "
Die Deutschen, die Europäer würden es nicht begrüßen, wenn z.B. die
Palästinenser oder die Ukrainer oder die Iraker ihr Schicksal in die
eigenen Hände nehmen und ihre Situation ändern würden? Diese Behauptung
wird sich so sicher nicht halten können. Hauptsache mal wieder gegen
Europa im allgemeinen und Deutschland im besonderen gehetzt.
"Zur Zeit machen sich die Auguren große Sorgen um die Sunniten, die an
der Wahl im Irak nicht teilgenommen haben. Neuesten Berichten zufolge
war aber die Beteiligung auch in den von ihnen dominierten Landesteilen
größer, als zunächst angenommen. Wahlenthaltung gehört übrigens auch mit
zum Wahlrecht."
Die Sorge ist durchaus begründet. Die Weigerung eines Großteils der
Sunniten könnten eine Schieflage bilden, die dem noch jungen
aufkeimenden Pflänzchen Demokratie gefährlich werden kann. Deshalb ist
man bemüht, den Sunniten trotz des für sie unvorteilhaften
Wahlergebnisses entgegenzukommen. Ob diese Sorgen nun letztendlich
berechtigt waren oder nicht wird die Geschichte zeigen. Broder
jedenfallt scheint in die Zukunft blicken zu können und die Antwort
bereits zu kennen.
"Die zweite große Sorge ist, ob der einseitige israelische Rückzug aus
dem Gaza-Streifen die Situation nicht zu Lasten der Palästinenser
verändern wird. Eine seltsame Form der Fürsorge, nicht zugunsten der
Betroffenen, sondern zugunsten des Status quo. "
Ich denke kaum, dass jemand in Deutschland oder Europa die Nachteile die
durch einen solchen Rückzug entstehen höher bewertet als die damit
verbundenen Vorteile. Erneut eine eher schwer zu haltende Behauptung
Broders. Was mich interessieren würde: was meint Broder mit einem
einseitigen israelischen Rückzug? Gibts da noch eine zweite
Besatzungsmacht im Gaza-Streifen?
"Das Kalkül der Terroristen, sowohl im Irak wie in den palästinensischen
Gebieten, war es, Verhältnisse zu schaffen und zu erhalten, die ihnen
eine sichere Existenz garantieren, auf Kosten derjenigen, die sie
"befreien" wollten. Aber in Deutschland, wie auch im übrigen Europa,
gibt es eine unsägliche Tradition: Sympathie mit Terroristen, erst
recht, wenn sie sich an ihren eigenen Verwandten austoben. "
Ich glaube nicht, dass diese Sympathie in Deutschland und Europa derart
ausgeprägt ist, wie es Broder gerne hätte. Dass die Deutschen im
Besonderen und die Europäer im Allgemeinen sogar besonders dann starke
Sympathien für Terroristen hegen würden, wenn diese sich an ihre
eignenen Verwandten austoben ist ebenfalls eine Behauptung, die sich nur
sehr schwer halten lassen wird. Eine weitere "Brodersche Behauptung"
möchte man sagen.
"Man gibt ihnen einen Robin-Hood-Bonus, romantisiert ihre Verbrechen und
idealisiert ihre Motive."
Einen Broder wurmt es doch sehr, dass die Europäer, und insbesondere
seine Lieblingsfeinde, die Deutschen, sich nicht auf eine Seite Schlagen
und die andere mit dem Stempel "Terrorist" abfertigen, da sie den Teufel
in beiden Lagern gleichermaßen herumschleichen sehen. Eine kritische
Haltung gegenüber der israelischen oder der US-amerikanischen Politik
wird sogleich als Parteinahme für die Terroristen interpretiert. Wer nun
meint, die Europäer würden nur in der israelischen und/oder
US-Amerikanischen Politik verbrecherische Elemente entdecken, auf der
anderen Seite die Terroristen die täglich Menschen mit sich in den Tod
reißen den Charme eines Robin Hood zusprechen, der hat entweder zu viel
in dspm gelesen oder betreibt bewußt Hetz-Propaganda.
"Deswegen ist aus den Kreisen der deutschen Friedensbewegung nicht mal
ein symbolisches Augenzwinkern, nicht mal ein leises Grummeln gegen den
Terror zu vernehmen gewesen."
Die "deutsche Friedensbewegung" ist eine abstrakte Menge. Im Grunde
gehören wir alle mehr oder weniger dazu, die dem Frieden mehr Gewicht
beimessen als dem Krieg. Die "Friedensbewegung" ist keine Organisation
die Stellungnahmen oder Pressekonferenzen abgibt. Deshalb ist es auch
etwas ungerecht von ihr Reaktionen oder Stellungnahmen zu verlangen, um
ihr anschliessend Heuchelei vorzuwerfen zu können. Die Stimme der
Friedensbewegung ist dennoch keinesfalls Stumm, sie ist die Stimme der
Gesellschaft an sich, die Stimme, die sich auch in den Medien und in der
Presse wiederspiegelt. Wenn also die Wahlen im Irak überwiegend positiv
aufgenommen werden, so gibt das auch die Haltung jener Menschen wieder,
die sich in Extremsituationen, wozu weniger bevorstehende Wahlen, als
vielmehr drohende Kriege zuzählen, auf die Straße begeben und jene
konkrete, zählbare Menschenmenge bilden, die man als "Friedensbewegung"
bezeichnen kann. Und sie ist keinesfalls auf einige wenige Prominente
beschränkt, oder auf Deutschland als Staat oder Europa als Kontinent,
sondern weltumspannend.
"Jetzt haben uns die Iraker und die Palästinenser mit dem Wahlzettel
eine Lektion verpasst. Es wird nicht die letzte gewesen sein."
Es gibt eine Lektion, die wir alle daraus lernen können: dass Demokratie
kein Privileg eines Kulturkreises ist. Die Ziele haben sich hingegen
nicht geändert. Die Iraker werden weiterhin danach trachten unabhängig
zu werden, und sich der Besatzungsmacht und des hinterlassenen Chaos so
rasch als möglich zu entledigen. Das gleiche gilt für die Palästinenser,
die die israelische Besatzungsmacht lieber heute als morgen beendet
sehen möchte. Ich glaube nicht, dass Europa und die übrige Welt diesen
Zielen entgegenstehen, ganz im Gegenteil.
--
Christian Ade