Martin Blumentritt
2004-03-01 00:00:00 UTC
Zur Frage des *Nationalstolzes* hier mal ein bissiger Vermerk
Schopenhauers aus dem Jahr 1850, also 20 Jahre *vor* Gruendung der
kleindeutschen Loesung durch Bismarck:
(Parerga und Paralipomena I, Aphorismen zur Lebensweisheit, z.B.
Huebscherausgabe p.394 ff):
"Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn
er verraeth in dem damit Behafteten den Mangel an *individuellen*
Eigenschaften, auf die er stolz seyn koennte, indem er sonst nicht zu
Dem greifen wuerde, was er mit so vielen Millionen theilt. Wer
bedeutende persoenliche Vorzuege besitzt, wird vielmehr die Fehler
seiner eigenen Nation, da er sie bestaendig vor Augen hat, am
deutlichsten erkennen. Aber jeder erbaermliche Tropf, der nichts in
der Welt hat, darauf er stolz seyn koennte, ergreift das letzte
Mittel, auf die Nation, der er gerade angehoert, stolz zu seyn: hieran
erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und
Thorheiten, die ihr eigen sind, [mit Haenden und Fuessen] zu
vertheidigen.
Daher wird man z. B. unter funfzig Englaendern kaum mehr, als Einen
finden, welcher miteinstimmt, wenn man von der stupiden und
degradirenden Bigotterie seiner Nation mit gebuehrender Verachtung
spricht: der Eine aber pflegt ein Mann von Kopf zu seyn. - Die
Deutschen sind frei von Nationalstolz und legen hiedurch einen Beweis
der ihnen nachgeruehmten Ehrlichkeit ab; vom Gegentheil aber Die unter
ihnen, welche einen solchen vorgeben und laecherlicherweise
affektiren; wie Dies zumeist die 'deutschen Brueder' und Demokraten
thun, die dem Volke schmeicheln, um es zu verfuehren. Es heisst zwar,
die Deutschen haetten das Pulver erfunden: ich kann jedoch dieser
Meinung nicht beitreten. Und Lichtenberg fraegt: 'Warum giebt sich
nicht leicht jemand, der es nicht ist, fuer einen Deutschen aus,
sondern gemeiniglich, wenn er sich fuer etwas ausgeben will, fuer einen
Franzosen oder Englaender?' [Vermischte Schriften, neue Ausg.,
Goettingen 1844, Bd. II, S. 122.] Uebrigens ueberwiegt die
Individualitaet bei Weitem die Nationalitaet, und in einem gegebenen
Menschen verdient jene tausend Mal mehr Beruecksichtigung, als diese.
Dem Nationalcharakter wird, da er von der Menge redet, nie viel Gutes
ehrlicherweise nachzuruehmen seyn. Vielmehr erscheint nur die
menschliche Beschraenktheit, Verkehrtheit und Schlechtigkeit in jedem
Lande in einer andern Form und diese nennt man den Nationalcharakter.
Von einem derselben degoutirt [angewidert] loben wir den andern, bis
es uns mit ihm eben so ergangen ist. - Jede Nation spottet ueber die
andere, und alle haben Recht."
Die Naziparole: "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein" wird von den
geistigen Brandstiftern der Nation nun versucht hoffaehig zu machen.
Die BILD-Zeitung agiert wie der voelkische Beobachter und schuert
Nationalismus. Der Seismograph fuer kuenftige Kriege und Massaker an
Minderheiten schlaegt bereits aus.
Die Republik verfaellt wieder dem nationalen Wahn.
Schopenhauers aus dem Jahr 1850, also 20 Jahre *vor* Gruendung der
kleindeutschen Loesung durch Bismarck:
(Parerga und Paralipomena I, Aphorismen zur Lebensweisheit, z.B.
Huebscherausgabe p.394 ff):
"Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn
er verraeth in dem damit Behafteten den Mangel an *individuellen*
Eigenschaften, auf die er stolz seyn koennte, indem er sonst nicht zu
Dem greifen wuerde, was er mit so vielen Millionen theilt. Wer
bedeutende persoenliche Vorzuege besitzt, wird vielmehr die Fehler
seiner eigenen Nation, da er sie bestaendig vor Augen hat, am
deutlichsten erkennen. Aber jeder erbaermliche Tropf, der nichts in
der Welt hat, darauf er stolz seyn koennte, ergreift das letzte
Mittel, auf die Nation, der er gerade angehoert, stolz zu seyn: hieran
erholt er sich und ist nun dankbarlich bereit, alle Fehler und
Thorheiten, die ihr eigen sind, [mit Haenden und Fuessen] zu
vertheidigen.
Daher wird man z. B. unter funfzig Englaendern kaum mehr, als Einen
finden, welcher miteinstimmt, wenn man von der stupiden und
degradirenden Bigotterie seiner Nation mit gebuehrender Verachtung
spricht: der Eine aber pflegt ein Mann von Kopf zu seyn. - Die
Deutschen sind frei von Nationalstolz und legen hiedurch einen Beweis
der ihnen nachgeruehmten Ehrlichkeit ab; vom Gegentheil aber Die unter
ihnen, welche einen solchen vorgeben und laecherlicherweise
affektiren; wie Dies zumeist die 'deutschen Brueder' und Demokraten
thun, die dem Volke schmeicheln, um es zu verfuehren. Es heisst zwar,
die Deutschen haetten das Pulver erfunden: ich kann jedoch dieser
Meinung nicht beitreten. Und Lichtenberg fraegt: 'Warum giebt sich
nicht leicht jemand, der es nicht ist, fuer einen Deutschen aus,
sondern gemeiniglich, wenn er sich fuer etwas ausgeben will, fuer einen
Franzosen oder Englaender?' [Vermischte Schriften, neue Ausg.,
Goettingen 1844, Bd. II, S. 122.] Uebrigens ueberwiegt die
Individualitaet bei Weitem die Nationalitaet, und in einem gegebenen
Menschen verdient jene tausend Mal mehr Beruecksichtigung, als diese.
Dem Nationalcharakter wird, da er von der Menge redet, nie viel Gutes
ehrlicherweise nachzuruehmen seyn. Vielmehr erscheint nur die
menschliche Beschraenktheit, Verkehrtheit und Schlechtigkeit in jedem
Lande in einer andern Form und diese nennt man den Nationalcharakter.
Von einem derselben degoutirt [angewidert] loben wir den andern, bis
es uns mit ihm eben so ergangen ist. - Jede Nation spottet ueber die
andere, und alle haben Recht."
Die Naziparole: "Ich bin stolz ein Deutscher zu sein" wird von den
geistigen Brandstiftern der Nation nun versucht hoffaehig zu machen.
Die BILD-Zeitung agiert wie der voelkische Beobachter und schuert
Nationalismus. Der Seismograph fuer kuenftige Kriege und Massaker an
Minderheiten schlaegt bereits aus.
Die Republik verfaellt wieder dem nationalen Wahn.