Post by Rolf Decker.
<Gerecht waere es gewesen, wenn nach 1945 ueberhaupt
< keine deutsche staatlichkeit mehr zugelassen worden waere.
Dachtest Du an den Morgenthau-Plan?
Den natürlich die Nazis erfunden haben!
"Konsequenzen aus dem Holocaust; Der Morgenthau-Plan in neuerer Sicht
<<Muesste man das 20. Jahrhundert auf einen Nenner bringen, dann waere
es nicht verkehrt zu sagen: Es war ein Jahrhundert der Kriege und der
Vernichtung und eine Zeit, in der die Henker - ob Folterknecht oder
Schreibtischtaeter - meist ungeschoren davonkamen. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen, scheiterten die Versuche, mit politischen oder
strafrechtlichen Mitteln auf Kriegsverbrechen, Voelkermord und, wie es
in der Nuernberger Anklageschrift hiess, <crimes against humanity> zu
reagieren.>>
Mit diesen Saetzen beginnt der Hamburger Politologe Bernd Greiner seine
Untersuchung ueber den sogenannten Morgenthau-Plan. Und Greiner laesst
keinen Zweifel, dass er seinen Initiator, den amerikanischen
Finanzminister Henry Morgenthau Jr., einer grundlegend neuen Bewertung
unterzieht: Radikaldemokrat, Wirtschaftsreformer und Antifaschist, der
mit den Mitteln der Diplomatie und der Justiz den Nazi-Verbrechen
begegnen wollte - so lautet Greiners Charakterisierung des umstrittenen
Politikers.
Zerrbild des Raechers
Noch immer hat sich in der Nachkriegsgeschichtsschreibung am verzerrten
Bild Henry Morgenthaus nur wenig geaendert. Hass und Rache von
alttestamentlichem Charakter spraechen aus diesem Plan, hatte bereits
Propagandaminister Goebbels im September 1944 lauthals verkuendet - kurz
nach der Unterzeichnung des Morgenthau-Plans durch den amerikanischen
Praesidenten Roosevelt. Nicht ohne Erfolg, denn bis heute gilt
Morgenthau in der Bundesrepublik meist als Unperson und als juedischer
Racheengel. Ende der 70er Jahre schrieb der Historiker Friedrich
Jerchow, Morgenthaus Plan einer deutschen Nachkriegsgesellschaft sei der
Barbarei nationalsozialistischer Verbrechen kaum nachgestanden -
Deutschland ein Land auf der Stufe eines Agrarstaates, ohne eigene
Industrie und ohne Militaer, waeren seine Vorstellungen Wirklichkeit
geworden.
Nach drei Jahren Forschungsarbeit und mehreren Studienaufenthalten in
den USA kommt Greiner, Mitarbeiter am Hamburger Institut fuer
Sozialforschung, zu einem anderen Morgenthau-Bild. Als erster deutscher
Sozialwissenschafter hat Greiner Morgenthaus Handakten eingesehen, seine
ueber 900 Baende umfassenden Tagebuecher ausgewertet, ebenso zahlreiche
Untersuchungen und Protokolle der amerikanischen Regierung. Greiners
ueberzeugende These: Fuer Morgenthaus Handeln war das Wissen um die
Ermordung der europaeischen Juden entscheidend. <<Ohne Ruecksicht auf
die eigene Person>>, so Greiner, <<unter Absehung aller
karrierepolitischen Interessen wollte er die Verbrechen in den
Vernichtungslagern an die Oeffentlichkeit bringen.>>
Erinnerung an den Armeniermord
Henry Morgenthau wurde 1891 in New York geboren und stammte aus einer
wohlhabenden deutsch-juedischen Familie. Sein Vater war Bankier und
Makler, bevor er in der Demokratischen Partei politisch aktiv wurde.
Morgenthau studierte Landwirtschaft, war Doktor der hebraeischen
Literatur und der humanistischen Wissenschaften. Politische Ambitionen
hatte er keine, bis ihn Praesident Roosevelt 1934 zum Finanzminister berief.
In Fachkreisen und an der Wall Street galt Morgenthau zunaechst
keineswegs als ausgewiesener Finanzexperte. Das heisst jedoch nicht,
dass er sein Amt voraussetzungslos ausgeuebt haette. Sein Vater, Henry
Morgenthau Sr., war im Ersten Weltkrieg Botschafter der USA in der
Tuerkei und wurde so Augenzeuge des Voelkermords an den Armeniern. Er
versuchte damals nicht nur, die Weltoeffentlichkeit auf diesen Genozid
aufmerksam zu machen, er hielt es fuer seine Pflicht, die Schuldigen zur
Verantwortung zu ziehen. Beim jungen Morgenthau hat das einen bleibenden
Eindruck hinterlassen: erstens die Erfahrung des Massenmords, zweitens
die politische Intervention seines Vaters und drittens schliesslich die
Tatsache, dass trotz diesen Bemuehungen die Taeter straffrei davonkamen.
Entwaffnung eines gefaehrlichen Staats
Als Finanzminister kontrollierte Morgenthau die amerikanischen
Ausfuhrbewilligungen. Seine Kenntnisse ueber die deutsch-amerikanischen
Geschaeftsbeziehungen waren sehr detailliert und erlaubten ihm erste
Einblicke in das Innenleben des NS-Staates, wie Greiner anhand der
Dokumente nachweist. In der Investitionspolitik und den
ruestungspolitischen Interessen grosser deutscher Konzerne kannte er
sich von Amts wegen gut aus. Daher sah Morgenthau bereits Mitte der 30er
Jahre im Dritten Reich eine Gefaehrdung des Weltfriedens. Er war der
Auffassung, Hitlers Expansionspolitik stehe in der Kontinuitaet eines
aggressiven deutschen Nationalcharakters. Die symbiotische Verzahnung
von NS-Partei und Wirtschaftselite war dabei grundlegend fuer sein Bild
vom Nationalsozialismus.
In der Tat sah das Memorandum einschneidende Regelungen fuer die
Nachkriegszeit vor: die Aufteilung Deutschlands in einen Nord- und einen
Suedstaat, beide autonom und auf foederativer Grundlage. Dazu kamen
erhebliche Gebietsabtretungen: im Westen an Frankreich und im Osten an
Polen und die Sowjetunion. Mit den Russen war darueber hinaus eine enge
Kooperation geplant, um so einen raschen Rueckzug der amerikanischen
Truppen aus Europa zu ermoeglichen. Ausserdem sollten deutsche
Zwangsarbeiter im Ausland Kriegsschaeden beseitigen. Schliesslich
forderte Morgenthau eine Bodenreform zugunsten kleinerer und mittlerer
landwirtschaftlicher Betriebe, nicht jedoch die Rueckverwandlung
Deutschlands in einen Agrarstaat. Zentral blieb die voellige Entwaffnung
der Streitkraefte, um Deutschland als potentiellen Aggressor ein fuer
allemal unschaedlich zu machen.
Greiner zeigt, dass sich Morgenthau in Fragen der Entnazifizierung gegen
die <<Outlaw>>-Theorie stellte, nach der nur die kriminellen Eliten,
also die Fuehrer und Funktionaere des Regimes und der NSDAP,
Verantwortung fuer die Verbrechen trugen. Morgenthau sah die Schuldigen
vielmehr in den Reihen der Militaers, in der Buerokratie, der
Nazi-Partei und in der Industrie, nicht zuletzt in der
Zwangsgemeinschaft der Halbverstrickten, Mitlaeufer und Angepassten.
Seine Vorschlaege zielten daher auf eine Politik der vier grossen <<D>>,
und die hiessen: Demilitarisierung und Denazifizierung,
Dekartellisierung und Demokratisierung. <<Wuerde dieses Programm nicht
radikal durchgefuehrt, haette dies unabsehbare Folgen. Diese Burschen
sind ja so schlau und solche Teufel. Bevor man sich's versieht, haben
sie wieder ein Heer, das marschiert>>, schrieb Morgenthau in sein
Tagebuch und formulierte weiter: <<Die Loesung scheint schrecklich,
unmenschlich grausam zu sein. Wir haben den Krieg nicht gewollt. Wir
haben nicht Millionen Menschen in die Gaskammern gejagt.>>
Ein Mittel interner Provokation
Morgenthaus Deutschlandplan erwuchs gerade aus dem Wissen um den
Holocaust. Bereits Ende 1942 besass Morgenthau zuverlaessige Berichte
ueber die Todesfabriken in Auschwitz und anderswo. Insofern komme
Morgenthaus Plan einer <<politischen Notbremse>> gleich, schreibt der
Autor. Morgenthau wollte damit seine politischen Gegner in der
Administration Roosevelt, die zu weitgehenden Konzessionen gegenueber
Nazi-Deutschland bereit waren, aus der Reserve locken - wohl wissend,
dass seine Neuordnungsplaene fuer Nachkriegsdeutschland bei ihnen auf
massiven Widerstand stossen mussten: <<Jetzt ist noch nicht die Zeit der
Kompromisse>>, schaerfte er seinen Mitarbeitern ein und gab die Losung
aus: <<Let someone else water it down.>> Morgenthaus Gegner in der
amerikanischen Regierung machten selbst vor antisemitischen
Beschimpfungen nicht halt und nannten ihn einen <<amerikanischen
Himmler>>. Der oeffentliche Druck auf den Praesidenten wuchs, Roosevelt
fuerchtete um seine Bestaetigung bei den anstehenden
Praesidentschaftswahlen und zog seine Unterschrift zurueck. So kam der
<<Morgenthau-Plan>> zu Fall - ein Memorandum, bei dem es sich laut
Greiner zunaechst um vorlaeufige Ueberlegungen handelte, bestimmt zur
Diskussion im kleinen Kreis, um auf die Nazi-Verbrechen hinzuweisen und
alle Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen zu koennen.
In der Bundesrepublik ist dieser Kontext noch kaum beachtet worden.
Bisher gab es lediglich eine einzige groessere Morgenthau-Untersuchung -
eine 390 Seiten umfassende Monographie von Kurt Keppler mit dem
verklaerenden Titel <<Tod ueber Deutschland>>. Dagegen steht die
Erinnerung an einen engagierten Politiker, dessen Erkenntnis schlicht
und einfach lautete: Voelkermord und Aggressionskrieg duerfen nicht
ungesuehnt bleiben. Darueber wollte Morgenthau einen politischen Streit
vom Zaune brechen, darauf hatte er all sein intellektuelles Bemuehen
gerichtet: Es gibt keine Normalitaet im Schatten der Vernichtung."
Bernd Greiner: Die Morgenthau-Legende. Zur Geschichte eines umstrittenen
Plans. Hamburger Edition, Hamburg 1995. 441 S., DM 58.-.
(Neue Zuercher Zeitung, 1.7.1995)
Kurzbeschreibung
Über den "Morgenthau-Plan"
Anhand der Geschichte Morgenthaus und seiner Anhänger wird deutlich,
weshalb es im 20. Jahrhundert so schwierig war und ist, Wege zur
Eindämmung von Gewalt und staatlichen Verbrechen zu finden.
Henry Morgenthau, Jr. hat hierzulande noch immer einen üblen Leumund.
Wegen einer Denkschrift, die er im September 1944 vorlegte, wird
Morgenthau gern als "jüdischer Racheengel" geschmäht. Er habe, so die
landläufige Rede, Deutschland in ein "Ackerland" verwandeln und 80
Millionen Menschen dem Hungertod preisgeben oder zur Auswanderung
zwingen wollen.
Anhand der umfangreichen, bisher nur bruchstückhaft ausgewerteten
Tagebücher des amerikanischen Finanzministers Morgenthau wird klar, dass
man bereits in den frühen vierziger Jahren über die enge Verzahnung
deutscher Großbetriebe mit den Nazis informiert war. Als er seine
umstrittenen Gedanken zu Papier brachte, schien es, als würden - von
Hitler und seiner engsten Umgebung abgesehen - die für Krieg und
Völkermord Verantwortlichen ungestraft davonkommen. Rechtsgelehrte
bezweifelten, dass es eine juristische Handhabe wider Verbrechen gegen
die Menschlichkeit gab, "Realpolitiker" sahen in Deutschland den
zukünftigen Partner zu Eindämmung des Kommunismus. Ihnen wollte
Morgenthau in die Parade fahren und zugleich eine Debatte in Gang
setzen, wie Deutschland und andere Aggressoren daran gehindert werden
könnten, erneut einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Henry Morgenthau trat bereits im Sommer 1945 von seinem Regierungsamt
zurück, doch der Streit um Deutschlands Zukunft ging weiter. In der
Militärregierung saßen ein paar Dutzend Linksliberale, die wie
Morgenthau der Meinung waren, dass man zur Bändigung des Militarismus in
das soziale und wirtschaftliche Gefüge Deutschlands eingreifen müßte.
"Wirtschaftliche Entwaffnung", "Entflechtung der Kartelle" und Prozesse
gegen belastete Industrielle und Banker standen auf ihrer Tagesordnung.
Auch sie scheiterten kläglich.
Der Verlag über das Buch
Über den »Morgenthau-Plan«
Henry Morgenthau, Jr. hat hierzulande noch immer einen üblen Leumund.
Wegen einer Denkschrift, die er im September 1944 vorlegte, wird
Morgenthau gern als »jüdischer Racheengel« geschmäht. Er habe, so die
landläufige Rede, Deutschland in ein »Ackerland« verwandeln und 80
Millionen Menschen dem Hungertod preisgeben oder zur Auswanderung
zwingen wollen.
Anhand der umfangreichen, bisher nur bruchstückhaft ausgewerteten
Tagebücher des amerikanischen Finanzministers Morgenthau wird klar, daß
man bereits in den frühen vierziger Jahren über die enge Verzahnung
deutscher Großbetriebe mit den Nazis informiert war. Als er seine
umstrittenen Gedanken zu Papier brachte, schien es, als würden - von
Hitler und seiner engsten Umgebung abgesehen - die für Krieg und
Völkermord Verantwortlichen ungestraft davonkommen. Rechtsgelehrte
bezweifelten, daß es eine juristische Handhabe wider Verbrechen gegen
die Menschlichkeit gab, »Realpolitiker«sahen in Deutschland den
zukünftigen Partner zu Eindämmung des Kommunismus. Ihnen wollte
Morgenthau in die Parade fahren und zugleich eine Debatte in Gang
setzen, wie Deutschland und andere Aggressoren daran gehindert werden
könnten, erneut einen Krieg vom Zaun zu brechen.
Henry Morgenthau trat bereits im Sommer 1945 von seinem Regierungsamt
zurück, doch der Streit um Deutschlands Zukunft ging weiter. In der
Militärregierung saßen ein paar Dutzend Linksliberale, die wie
Morgenthau der Meinung waren, daß man zur Bändigung des Militarismus in
das soziale und wirtschaftliche Gefüge Deutschlands eingreifen müßte.
»Wirtschaftliche Entwaffnung«, »Entflechtung der Kartelle« und Prozesse
gegen belastete Industrielle und Banker standen auf ihrer Tagesordnung.
Auch sie scheiterten kläglich.
»Morgenthaus Erkenntnis lautete schlicht und einfach: Völkermord und
Aggressionskrieg dürfen nicht ungesühnt bleiben. Es gibt keine
Normalität im Schatten der Vernichtung. Das war Morgenthaus Botschaft an
die Tätergeneration. Bernd Greiners Verdienst ist es, diese Geschichte
in seiner fulminanten Untersuchung rekonstruiert zu haben.« (Michael
Marek, die tageszeitung)
(Referenz:
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Heute wissens wir genau, recht hatte Morgenthau.